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Haus der Heimat, Wien
Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft in Österreich (DAG)
Die Schicksalsjahre 1944 und 1945
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind schon über 60 Jahre vergangen. Es ist schwierig, die Situation von damals in Worte und Bilder zu fassen, anderseits half die Zeit den Betroffenen, viele Wunden zu heilen, wodurch ein objektiver und von Emotionen befreiter Zugang möglich ist. Die Geschichte der Donauschwaben in der Zweiten Republik Österreich ist ein nur wenig erforschter Bereich. Die Ursachen dafür sind komplex, teils psychologisch motiviert und beharren einer tieferen Analyse. Die ersten Arbeiten waren zumeist ministerielle Untersuchungen oder demografische Erhebungen, die im Zuge der Integration zur Durchführung kamen. Die bislang umfangreichste wissenschaftliche Arbeit stammte von der Salzburger Soziologin Brunhilde Scheuringer. Das Schicksal der Heimatvertriebenen war in Österreich von Anfang an ein politisches Thema, das die österreichische Parteienlandschaft der Nachkriegszeit spaltete. Von den Betroffenen wurde es aus Scham vielfach zu einem Tabu gemacht. Man sprach nicht über seine Herkunft oder verschwieg am Arbeitsplatz seine Abstammung. Die Verdrängung der eigenen Identität resultierte aus negativen Erfahrungen, die viele Donauschwaben in der Öffentlichkeit nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs machen mussten. Viele sahen sich 1945 in Österreich mit einer Feindseligkeit konfrontiert, die sie nach ihrer Evakuierung hierzulande nicht wahrgenommen hatten. Hatten sich die Menschen über Nacht verändert? Noch 1944 wurden die Österreicher mit feurigen Appellen auf die Ankunft der Donauschwaben vorbereitet. Man hatte sie, wie es das Beispiel aus dem Reichsgau Oberdonau zeigt, zur Solidarität verpflichtet.
Gerade in der Not galt es, zusammenzurücken und den Volksgenossen aus dem Südosten die Hand zu reichen: Der Banat wird geräumt. Die Deutschen dieses Raumes zählen zu den besten Volksgruppen unserer Nation. Ihre Unterbringung ist für uns eine Ehrenpflicht. Der Reichsgau Oberdonau nimmt zehntausende dieser Menschen auf und gibt ihnen eine vorläufige Heimat. Die Deutschen aus dem Banat kommen nach Jahrhunderten wieder ins Reich. Wir werden sie nicht nur mit offenen Armen empfangen, sondern auch betreuen und entsprechend unterbringen. Sie sind unseren Volksgenossen gleichgestellt.1
Nach dem Krieg entlud sich die österreichische Volksseele aus Enttäuschung über den verlorenen Krieg. Man litt unter den menschlichen und materiellen Verlusten, die wohl eine jede österreichische Familie am Land und in der Stadt zu ertragen hatte. Überall lasteten die Spuren der Zerstörung auf dem Land. Die Menschen waren verbittert und gezwungen, mit dem Trauma der letzten sechs Jahre fertig werden zu müssen. In jeder Familie fehlten Angehörige, musste der Tod geliebter Menschen verkraftet werden. Tausende von Frauen warteten auf ihre Männer, Mütter und Väter auf ihre Söhne und Kinder auf ihre Väter. Die Ungewissheit quälte. Teile der österreichischen Zivilbevölkerung hatten bereits in den letzten Kriegswochen eine Ahnung davon bekommen, was man schon bald an Demütigungen, Ängsten, Entbehrungen und Schikanen erleiden wird müssen. Man war verunsichert und hatte Angst vor dem, was die NS-Propaganda so eindringlich über das unmenschliche Wesen von Russen und Mongolen in die Bevölkerung hinein getragen hatte: „Die vergewaltigen, morden und brandschatzen. Wehe, wenn die kommen!“ Die Menschen suchten in ihrer Verzweiflung nach Ursachen und Sündenböcken. Die Juden kamen dafür nicht mehr in Frage. Die hatte man schon 1938 aus Österreich vertrieben. Inmitten von Schutt und Asche brauchte es andere „Brunnenvergifter“, denen man die Schuld am eigenen Versagen, am verlorenen Krieg, an der wirtschaftlichen Not und am sozialen Elend zuschieben konnte. Jetzt deutete man mit den Fingern auf die deutschen Volksgenossen aus dem unbekannten Südosteuropa, bespuckte sie, schimpfte sie „Gesindel“ und setzte kinderreiche Familien mit der Drohung: „Diese Wanderzigeuner sollen verschwinden“ auf die Straße. Das Pendel hatte umgeschlagen. Die Menschen waren verbittert, der Krieg hatte viele Österreicher und das gute Wiener Herz verrohen lassen.
Die Donauschwaben litten unter den Vorurteilen und Anfeindungen der Einheimischen. „Wussten die hier überhaupt, wer wir waren und woher wir kamen? Als Bettelzigeuner beschimpfen sie uns! Die würden in ihren zerbombten Ruinen Augen machen, wenn sie unsere Häuser und unsere Felder, unsere Heimat, unseren Reichtum sehen könnten. Der Neid würde sie zerfressen.“ Der Krieg war zwar aus, wer aber sollte sie wieder in die Heimat zurückführen? Natürlich wollten sie zurück, so wie die Nordsiebenbürger, die man auch aus der Heimat evakuiert hatte. Sie alle wollten raus aus diesem zerstörten Land, in dem es nichts gab, Hunger und Elend das Leben bestimmten. Hatte man den Donauschwaben nicht vor Monaten versprochen, sie nach dem Krieg wieder in ihre Dörfer und Städte zurückzuführen? Die Wirklichkeit sah im Mai 1945 freilich ganz anders aus! Die Straßen waren verstopft und die Bahnhöfe zerstört - überall gab es Grenzen, Kontrollen, die Menschen wurden nach Ausweisen befragt und mussten sich identifizieren. Aus allen Himmelsrichtungen strömten Menschen. Wohin sollte man also in diesem Durcheinander gehen? Karl Renner, österreichischer Staatskanzler und erster Bundespräsident der Zweiten Republik, beschrieb die damalige Lage an den österreichischen Grenzen wie folgt: Von Norden her, aus der Tschechoslowakei, sollen laut Bericht der Sicherheitsdirektion nach Niederösterreich allein an die 300.000 deutschsprechenden Tschechoslowaken in primitiver Kleidung, ohne Geld, ohne Nahrungsmittel, kurz als Bettler, ins Land [gekommen sein, Anm. d. Verf.]. Aus Jugoslawien wurden die deutschsprechenden ehemaligen Bewohner der Gottschee, durchaus jugoslawische Staatsbürger, über die Grenze geworfen. Dem Vernehmen nach sind auch nach Oberösterreich nicht weniger deutschsprechende Tschechoslowaken eingebrochen. Nach Wien haben sich rund 18.000 eingeschlichen.2
Österreich war besetzt und in vier Zonen aufgeteilt. In Niederösterreich, Burgenland und im Mühlviertel befand sich die sowjetische Zone, in Oberösterreich und Salzburg waren die Amerikaner, die Engländer hatten ihre Zone in der Steiermark, Kärnten und Osttirol, die Franzosen hielten mit Tirol und Vorarlberg den Westen unter ihrer Verwaltung. Ein Überschreiten der Zonengrenzen war verboten. Rund 160.000 Donauschwaben waren in einem Land gefangen, das neben den Volksdeutschen noch über eine Million fremdsprachiger NS-Zwangsarbeiter u.a. aus Russland, der Ukraine, Polen, Frankreich, Belgien, den Niederlanden in Baracken beherbergte. Sie sollten so rasch wie möglich in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.
1 zit. bei Herman Volkmer, Die Volksdeutschen in Oberösterreich. Ihre Integration und ihr Beitrag zum Wiederaufbau des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg. 1. Aufl. Grünbach 2003, S. 47.
2 Karl Renner, Drei Monate Aufbauarbeit der provisorischen Staatsregierung der Republik Österreich. Wien 1945, S.11
Zerstörung, Hunger, Angst und Verzweiflung - Wien 1945
Für Hunderttausende von Volksdeutschen wurde das kriegszerstörte Österreich zur Zufluchtsstätte
Niemand konnte wissen, dass die Evakuierung aus der Heimat ein Abschied für immer sein würde. Donauschwaben in der Steiermark, Winter 1944
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