PA2012–12; 22.05.2012
EU-Beitritt von Kroatien – Bleibt das Restitutionsthema im österreichischen Parlament unbehandelt?
VLÖ-Vertreter und Vertreter der DAG (Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft) weisen die österreichische Politik auf offene Menschenrechts- und Vermögensfragen hin
"Die Aufnahme Kroatiens in die europäische Wertegemeinschaft ist aus österreichischer Sicht natürlich zu befürworten", so DI Rudolf Reimann, der sich als Bundesvorsitzender des Verbands der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ) ebenfalls für einen EU-Beitritt Kroatiens ausspricht. "Dass Kroatien aber zuerst auch seine Hausaufgaben in Menschenrechtsfragen zu erledigen hat, ist unabdingbar, denn dass die Restitutionsfrage noch vor dem vollzogenen EU-Beitritt geregelt werden muss, ist für den VLÖ und seine Mitglieder unumgänglich und alternativlos", ergänzt Reimann und weist in diesem Zusammenhang auf Tschechien und die Slowakei hin, deren "sang und klanglos durchgewunkener EU-Beitritt ein Schlag ins Gesicht für alle Heimatvertriebenen und -Verbliebenen war, deren Rechte somit wiederholt mit Füßen getreten wurden".
Das kroatische Restitutionsgesetz von 1996 in der Fassung von 2002 regelt die Entschädigung für Vermögenswerte, die ihren früheren Eigentümern nach dem Zweiten Weltkrieg durch die damalige Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien entzogen wurden. Seit den neunziger Jahren war die Frage der Restitution an nichtkroatische Staatsangehörige offen. Die kroatischen Behörden und Gerichte lehnten trotz eines Urteils des Verfassungsgerichtshofes von 1999 die Gleichberechtigung von Nichtkroaten mit Kroaten ab. Vertriebene würden nur dann entsprechend berücksichtigt werden, gebe es zwischen Kroatien und dem neuen Heimatstaat ein entsprechendes bilaterales Abkommen. Auf Zutun des damaligen Außenministers Wolfgang Schüssel wurde im November 2005 in Vukovar die Paraphierung eines solchen Abkommens erreicht, dessen Ratifizierung im kroatischen Parlament aber der damalige altkommunistische Präsident Stipe Mesic entsprechend zu verhindert wusste. "Seither wird von kroatischer Seite immer nur betont, dass es zu einem neuen Restitutionsgesetz kommen soll, dies ist aber bis heute nicht erfolgt", so Reimann.
Für den VLÖ war es aus diesem Grunde offensichtlich, seine Position den Klubobleuten aller Parlamentsparteien zu unterbreiten, um - hinsichtlich der Ratifizierung des EU-Beitrittsvertrages von Kroatien - vorweg sensibilisierend aber auch mahnend auf die österreichische Politik einzuwirken. "Der VLÖ hat darüber hinaus auch bei Staatssekretär Waldner vorgesprochen, sowie den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler, den Vizekanzler, die Nationalratspräsidenten wie auch alle Nationalratsabgeordneten schriftlich informiert und im Hinblick auf unsere Überlegungen um Berücksichtigung gebeten", so Reimann.
Der VLÖ interpretierte es als wichtiges Zeichen, dass sowohl ÖVP-Klubobmann Kopf, BZÖ-Klubobmann Bucher, als auch FPÖ-Klubobmann Strache und der Dritte Nationalratspräsident Präsident Graf die Anliegen des VLÖ in persönlichen Gesprächen hörten. Einzig SPÖ-Klubobmann Cap konnte aus zeitlichen Gründen den Termin nicht wahrnehmen, wurde aber von SPÖ-Vertriebenensprecher Franz Kirchgatterer und Klubsekretär Kurt Stürzenbecher vertreten.
"Zusammenfassend lässt sich festhalten - so der Eindruck des VLÖ-, dass alle Parteienvertreter betonen, Kroatien könne mit der Unterstützung Österreichs rechnen und demzufolge würden die ÖVP, die SPÖ und das BZÖ die Abstimmung im Parlament nicht mit dem Restitutionsthema belasten wollen. FPÖ-Strache hingegen, und das freut den VLÖ, sagte zu, dass er den Kontakt zu kroatischen Stellen suchen werde, da das Thema Restitution selbstverständlich vor dem EU-Beitritt Kroatiens erledigt werden müsse", fasst Reimann die Inhalte der Gespräche im Parlament zusammen und sieht somit seitens des VLÖ alle politischen Möglichkeiten der Intervention in Österreich ausgeschöpft.
"Ich hoffe stark - auch wenn in der letzten Parlamentssitzung vor der Sommerpause der Vertrag ratifiziert werden soll - dass bis dahin der politische Druck auf Kroatien dementsprechend positiv ausgeübt wurde, damit die Frage der Restitution im Sinne der Erlebnisgeneration gerecht geregelt wird. Führt man sich die jüngsten Bestrebungen Serbiens hinsichtlich der Restitutions- und Rehabilitationsgesetzgebung vor Augen - die geradezu als vorbildlich einzustufen sind - fragt man sich als Mitteleuropäer, warum dies im direkten Nachbarland Kroatien, mit quasi denselben Bestrebungen und geschichtlichen Parallelen, nicht funktionieren sollte. Dies wäre in demokratiepolitischer Hinsicht, sollte darüber hinaus auch seitens Österreich keine wahrnehmbare Unterstützung der Heimatvertriebenen erfolgen, äußerst bedenklich", so VLÖ-Bundesvorsitzender Reimann abschließend.